Unser Ausflug zu den Schützengräben nach Nagia Grom

Bericht von Sofia Papacci, Flora Hapkemeyer, Sofia Gallippi und Sara Brunner

Die Fahrt
Datum: 16.04.2018
Treffpunkt: 7.45 Uhr, Grieser Platz
Nachdem der Bus uns abgeholt hatte, fuhren wir in Begleitung unserer Lehrpersonen Frau Munter und Herr Pfeifer bis zur Einfahrt der Autobahn, wo Herr Mederle, ein Historiker, auf uns wartete. Während der Fahrt informierte er uns über den Ersten Weltkrieg. Als wir unser Ziel Nagia Grom erreicht hatten, begann unser Abenteuer.

Wasserspeicher
Zuerst kamen wir zu einem Loch, wo uns Herr Mederle die Frage stellte, was das sein könnte. Nach einigem Raten fanden wir heraus, dass es ein Wasserspeicher war.
Im ersten Weltkrieg befanden sich im Wasserspeicher alle Wasserreserven. Nachdem der Krieg zu Ende war, fehlte Italien Eisen. Deshalb sprengten sie das Eisendach, das sich auf dem Wasserspeicher befand. Sie holten sich auch die restlichen Eisenreserven, die sich im Gestein befanden. Im Wasserspeicher sahen wir auch zwei Feuersalamander und eine Schlange, die vermutlich den Rest ihres Lebens im Wasserspeicher verbringen werden.

Kaverne (Deposito scavato in roccia 1914-1918)

Neben dem Wasserspeicher befand sich eine Kaverne, in der die Soldaten schliefen. Da es in der Kaverne sehr dunkel war, mussten wir unsere Taschenlampen verwenden. Es war sehr feucht und deshalb wurden die Soldaten häufig krank. Herr Mederle wollte von uns wissen, wie viele Soldaten darin schlafen konnten und stellte uns damit eine schwierige Frage. Am Ende stellte sich heraus, dass in der Kaverne insgesamt 32 Soldaten schlafen konnten. Es gaben dreistöckige Betten und die Soldaten wogen im Durchschnitt um die 50 Kilogramm, was für einen erwachsenen Mann sehr wenig ist. Der Grund dafür war die Hungersnot. Zudem mussten sie jeden Tag eine 30 Kilogramm schwere Ausrüstung tragen. In der Mitte der Kaverne befand sich ein kleiner Kamin, der den ganzen Raum wärmen musste. Zum Glück war es nicht immer kalt und die Feuchtigkeit war vor allem im Winter nicht zu spüren.

Schützengraben 1

Auf diesem Foto befinden wir uns auf der Kehlseite, also der Freundseite.
Die Soldaten haben den Schützengraben auf der Kehlseite (Freundseite) in einer Zickzackform gebaut, damit sie sich, falls der Feind einbrach, hinter der Mauer verstecken und Handgranaten um die Ecke werfen konnten. Sie konnten den Feind so auch von zwei Seiten gefangen nehmen. Bei einem Zickzackgraben können die Granatensplitter nicht so leicht zu den Soldaten vordringen (die Splitterwirkung ist weitaus geringer).
Der Unterschied zwischen einem Schützengraben und einem Laufgraben ist, dass in einem Schützengraben die Schützen mit den Gewehren standen; der Laufgraben dagegen ist die Verbindung von hinten zum Schützengraben. Auf Bildern von der Westfront sieht man oft zickzackförmige Gräben und dann immer wieder leichte Verbindungsgräben. Beide Gräben wurden überdacht, denn man sagte: „Ein Dach über dem Kopf ist besser“. Einmal wegen der Witterung, aber das Wichtigste war, dass sie gegen Beschuss schützten. Vor allem gegen Schrapnells. Schrapnells waren Granaten, die von Kanonen verschossen werden. Der Grund, dass man dieses Geschoss verwendet hat, war, dass eine Kanone, die eine Granate schießt, die Distanz genauer einstellen kann. Die Granate explodierte in der Luft und streute Blei- oder Eisenkugeln. Ihre Wirkung war furchtbar.




Mörser, Haubitze und Kanone – gibt es da einen Unterschied?
Der Unterschied ist folgender:
Mörser: ein Geschütz mit einem kleinen Verhältnis zwischen Rohrlänge und Kaliber. Mörser rechnet in Grad und hat das steilere Feuer als eine Haubitze. Ein Mörser kann nicht nach unten geneigt werden wie eine Haubitze.
Haubitze: Kanone mit kurzem Rohr, sie kann nach unten geneigt werden. Heute gibt es nur noch Haubitzen. Sie können 10 ° nach unten schießen und können nach oben schießen, fast wie die Mörser. Haubitzen werden auf Panzer montiert.
Kanone: Die Rohrlänge beträgt mindestens das Zweifache des Kalibers. Eine Kanone kann nur auf das schießen, was sie sieht. Hat eine Reichweite von 6,5 Kilometern. Die längste Kanone heißt „langer Georg“ und hat eine Reichweite von 32 Luftkilometern.


Strom!
Herr Mederle erklärte uns aber, dass es auch eine Stromanlage gab. Dort gab es einen Motor, der durch Benzin angetrieben wurde und die Baracken auf dem Hügel mit elektrischem Licht versorgte. Wichtiger waren aber die Scheinwerfer, die durch Strom angetrieben wurden. Da Strom besser als Ethylen funktionierte (Ethylen hat zu 60% die Kraft von Strom), bevorzugte man Strom; weil aber Strom teuer war, gab es ihn fast nur an der Front.


Beim Grab (Erstes Kreuz)
Ein Grab mit Kreuz wurde von Herrn Mederle und seinen Kollegen angelegt. Es ist zum Gedenken an die gefallenen Soldaten von Nagia Grom errichtet worden. Von diesem Punkt aus kann man einen Berg zwischen den Wolken sehen. Auf diesem Gipfel befand sich die schwere Artillerie, die häufig Soldaten tötete.
Im November 1914 gab es einen Plan, der vorsah, die Anhöhen zu verteidigen und deswegen baute man die ersten Schützengräben.
Die Soldaten an der Front hatten eine Zeit lang nichts zu tun, denn der Feind kam nicht. Aus diesem Grund wurden sie in die Ebene geschickt und mussten Verteidigungsanlagen bauen. Sie bauten sie in mehreren Schichten mehrere Ebenen nach oben (Start von Valle San Felice immer weiter rauf). Dies war einerseits „Zeitvertreib“ und anderseits kam der Feind nicht mehr durch und die Soldaten durften wieder zurückgehen; die Verteidigungsanlage hatte also auch eine Schutzfunktion.

Standschützen
Die Standschützen waren die Ersten an der Front. Es gab Standschützen deutscher und italienischer Muttersprache. Trotzdem war es aber so, als ob italienische Standschützen „nicht existierten“, denn im österreichischen Generalstabswerk wurden die italienischen Standschützen als E-Standschützen bezeichnet (E=einheimisch).


Die Schützengräben waren der Lebensraum der Soldaten. Von der Kehlseite Richtung Feind wurden die Schützengräben eckiger und schmaler.
Nach dem Ersten Weltkrieg fanden Jugendliche eine Granate und spielten damit. Die Granate explodierte und tötete sie. Dieses Kreuz erinnert an die Verstorbenen.

Die Küche


Das Wort HAZP ist die Kurzformel für Hygiene in der heutigen Küche. Unter anderem heißt es, dass das Frischgemüse nicht dort, wo es verarbeitet wird, geputzt werden darf. Schon vor 100 Jahren hielt man sich an diese Vorschriften. Die Küche und der Ort, wo das Gemüse gewaschen wurde, waren getrennt voneinander. In der Küche waren acht Herde mit acht Feuerstellen.

Der Kommandoplatz und verschiedene Fotos bzw. Karten

Als Nächstes stellte uns Herr Mederle auf einer Art Terrasse in einem Halbkreis auf. Dort gab es eine sehr schöne Aussicht. Herr Mederle zeigte uns eine Karte von den Gebietsgrenzen im Ersten Weltkrieg. Auf der Karte war zu sehen, dass die Tiroler Grenze in fünf Rayons eingeteilt war. Ein Rayon ist ein frazösisches Wort für eine Abteilung. Herr Mederle erklärte, dass es in Frankreich und Russland heute noch Polizeirayons gibt. Die Rayons waren wichtig, um die Leute besser zuzuteilen. Wir befanden uns im Rayon 3, dem größten der Rayons. Außerdem gibt es in den einzelnen Rayons noch Unterabschnitte. Wir waren also im Rayon 3 und im Abschnitt Südtirol.
Als Nächstes zeigte uns Herr Mederle ein noch nicht veröffentlichtes Farbfoto. Es war das seltsamste, was er je gesehen hatte. Es war eine Zeichnung noch mit den originalen Farben aus dem Jahr 1918. Man konnte die Stellungen des Nagia Grom und die Schützengräben (jedoch war nur die Kaverne abgezeichnet) erkennen. Die Karte war sehr genau gezeichnet.
Das nächste Bild, das er uns zeigte, war das erste, das er gefunden hatte. Es zeigte den Hügel von Nagia Grom. Herr Mederle fragte uns, warum der Ort, an dem wir uns gerade befanden, so wichtig gewesen war. Er sagte, wir sollten den Kopf benutzen, rechnen und beobachten. So fanden wir heraus, dass das früher der Kommandoplatz gewesen war. Hier ist im Notfall der Kommandant gestanden. Von dort kann man alles perfekt sehen. Von diesem Platz aus konnte man perfekt die Gegner erkennen. Auf dem Boden dieses Platzes war ein zugedecktes Loch, das zu einer Kaverne führte. Herr Mederle meinte, dass man bei Gefahr schnell in das Loch springen konnte. Zusätzlich war in der Kaverne auch ein kleines Fenster, von wo man alles beobachten konnte.
Dieser Platz war wirklich wichtig, aber auch gefährlich.



Nach der Busfahrt war unser Abenteuer zu Ende, jedoch wird es uns immer in Erinnerung bleiben.

Auszug aus dem (fiktiven) Tagebuch von Josef Müller

Von Sina Eisath

4. Januar 1915: Liebes Tagebuch, ich schrieb schon lange nichts mehr, da ich keine Zeit hatte. In der letzten Woche ist viel passiert. Ich wurde an die Front geschickt! Meine Frau und meine Kinder musste ich zurück lassen. Ich vermisse sie jetzt schon! Ich wurde an die Front von Italien und Österreich nach Nagia Grom befehligt. Nagia Grom ist in der Nähe vom Gardasee. Es gehört zum Rayon III. Das Rayon III ist das größte der fünf Rayons, Frontabschnitte. Dort wurde ich in einer Kaserne einquartiert. Die Grotte ist nicht besonders groß, trotzdem muss ich sie mir mit 31 weiteren Soldaten teilen. Es gibt zweistöckige Stockbetten, die eng aneinander stehen. Ich schlafe unten, knapp über dem Boden. Gegenüber von unsrer Unterkunft befindet sich ein tiefes, betoniertes, rechteckiges Loch. Das ist unser Wasserspeicher. Ein Stück entfernt von meinem Quartier gibt es eine Küche, das Essen ist nicht besonders üppig und wir werden meist nicht satt, aber zumindest bekommen wir etwas. Ich habe von Kriegsgebieten gehört, wo sie für längere Zeit hungern mussten. In meiner ersten Woche ist noch nicht viel passiert. Meine Kameraden haben mich, während wir in den Schützengräben saßen und warteten, in Waffenkunde unterrichtet. Jetzt kenne ich den Unterschied zwischen einer Kanone, einem Mörser und einer Haubitze. Der Unterschied liegt nicht nur in der Länge des Rohrs und der Breite des Kalibers, sondern auch in ihrem Schuss. Wenn man eine Kanone abfeuert, muss man sehen können, wo der Schuss hingeht, sie hat eine größere Schussweite als die Haubitze, ist aber wesentlich schwerer. Eine Haubitze hingegen kann auch ein verstecktes Ziel beschießen, da sie eine steile Schussbahn hat. Ein Mörser hat eine relativ kurze Reichweite (die dicke Berta mit Ca. 14km). Die Kanone, welche die weiteste Reichweite erreicht, ist das „Paris Geschütz“ mit 128km. Ich fände das alles ziemlich interessant, würde es mir nicht gleichzeitig auch solche Angst machen. Während wir auf der Kehlseite (Freundseite) saßen und auf Befehle warteten, erklärten sie mir nicht nur die Waffen, sondern auch den Aufbau der Schützengräben. Die Schützengräben formen ein Zick-Zack Muster, welches uns im Falle eines Eindringens der Feinde vor ihnen schützten soll. Durch die Laufgräben kommen wir zu den Schützengräben. Doch während sie mir das alles erzählten, ging mir meine Familie nicht aus dem Kopf und die Angst vor einer bevorstehenden Schlacht wuchs.
15. Januar 1915: Hallo, mittlerweile habe ich meine erste Schießerei hinter mir. Ich habe Menschen getötet! Mit dem Maschinengewehr musste ich unsre Fronten verteidigen. Die Schreie der Männer gehen mir nicht mehr aus dem Kopf und in der Nacht finde ich keine Ruhe. Was wird wohl aus mir werden, wenn das so weiter geht? Ein von Angst behinderter Mann, der seine Familie nicht mehr unterstützen kann oder wird mich das irgendwann nicht mehr berühren und ich werde zu einem herzlosen Monster? Nachts, wenn ich wach im Bett liege, denke ich an meine Kinder und an meine Frau, ob es ihnen gut geht? Doch nicht nur die Angst hält mich nachts wach, auch der Gestank in der Kaserne. 32 ungewaschene und unrasierte Männer in einem kleinen Raum, sorgen auf Dauer für einen unerträglichen Gestank. Das Einzige, was mir am Tage Freude bereitet ist die Aussicht auf das Tal, die man von den Schützengräben aus hat, doch auch diese lassen mich wieder an zu Hause an meinen Hof denken. Der Krieg lässt einem einfach keine Freude.
17. Februar 1915: Liebes Tagebuch, der Tod und das Töten machten mir immer noch etwas aus, doch ich kann nachts wieder zumindest ein paar Stunden schlafen. Die restlichen Stunden werde ich von den Schreien der Männer, die ich getötet habe, der Sorge um meine Familie und dem Hunger wachgehalten. Mittlerweile habe ich einige Kilogramm abgenommen und da ich vorher schon nicht viel gewogen habe, schätze ich mich jetzt auf 60kg. Doch es liegt nicht nur an dem wenigen Essen, auch an der schweren Arbeit, die ich jeden Tag verrichten muss. Die Schützengräben, die ich ausbauen muss und die Wassertanks, die ich baue. Ich bin nur froh, dass es bis jetzt noch nicht besonders viel geregnet hat.
20. März 1915: Meine Hoffnung auf eine baldige Heimfahrt ist geplatzt. Der Krieg wird noch lange weitergehen. Ich halte es jedoch nicht mehr lange aus. Vor allem jetzt, wo es drei Tage lang geregnet hat. Drei Tage lang ununterbrochen. In den Schützengräben steht das Wasser bis zu den Knöcheln, meine Haut schält sich langsam ab. Doch ich muss weiter hier bleiben und durchhalten.
25. März 1915: Heute wurde ich das erste Mal nachts losgeschickt, um zu kämpfen. Mit Scheinwerfern, die bis zu den Gegnern leuchten, haben wir gekämpft. Sobald wir sie einschalteten, haben wir geschossen und sofort wieder ausgeschaltet, damit der Feind nicht wusste, wo wir uns versteckten. Die ganze Nacht ging es so, bis auch die Feinde anfingen zu schießen, dann zogen wir uns zurück. Jetzt bin ich müde, doch der Krieg lässt uns keine Pause.
Februar 1916: Seit einem Jahr bin ich nun schon an der Front und es hat sich nichts verändert. Die Grenzen sind gleich und das tägliche Leben ist hart. Der Krieg ist zu meinem Alltag geworden. Von meiner Familie habe ich nichts gehört und auch ich kann ihnen keine Nachricht zukommen lassen. Ich vermisse sie!
Juni 1917: Immer noch keine Veränderung, seit zwei Jahren. Männer sterben, es kommen neue, jüngere. Der Krieg ist hart und unerbittlich und mein Alltag.
Dezember 1918: Der Krieg ist vorbei! Ich habe überlebt und darf nach Hause!
Januar 1919: Ich bin wieder zu Hause, bei meiner Familie. Die Freude des Wiedersehens war groß. Meine Kinder sind so groß geworden, sie haben sich so verändert, ich erkenne sie kaum wieder. Meine Frau ist zu einer starken, selbstständigen Frau geworden. Und ich, ich kann nachts immer noch nicht gut schlafen, zucke beim leisesten Krachen zusammen und höre im Weinen meiner Kinder, wenn sie hinfallen, die Schreie der Männer, die ich getötet hatte. Ich wiege nur noch 50kg und meine Haare waren so verfilzt, dass meine Frau sie kahl schneiden musste. Mein Leben wird nie wieder so sein wie vor dem Krieg. Doch ich habe ihn überlebt!
August 1921: Ich dachte, ich hätte die Schrecken des Krieges endgültig überstanden, doch der Krieg hat langwierige Folgen. Ein Dorfmitglied schickte seinen Sohn mit den Schafen auf die Weide, auf die Hügel von Nagia Grom. Plötzlich hörte man das Schreien. Der Junge hatte eine noch nicht explodierte Granate gefunden und sie angefasst. Die Granate war in die Luft gegangen und der Junge wurde getötet. Ein dreizehnjähriger Junge! Der Krieg ist schrecklich und hat schlimme Folgen! Beten wir, dass es keinen Zweiten geben wird!